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Korbinian Braun schüttelte energisch den Kopf. »Nein, nein, nein«, sagte er mit Nachdruck. »Das geht nun wirklich nicht!«.
Laurin verlor langsam die Geduld. Er stand mit einem großen Vorschlaghammer in der Kapelle und hatte gerade damit begonnen, für das Kabel des Netzanschlusses ein Loch in die Außenwand des Klosters zu schlagen. Seine schweißgetränkte Kleidung war dermaßen von Schmutz und Staub verdreckt, dass man die ursprüngliche Farbe noch nicht einmal mehr erahnen konnte. Sein T-Shirt trug den kaum lesbaren Aufdruck „Religion ist heilbar”, welchen Korbinian entweder nicht mehr lesen konnte oder aber schlicht ignorierte. Ein paar Schrammen in dem alten, rötlichen Sandsteingemäuer waren bisher die einzigen sichtbaren Spuren seiner Bemühungen. Feiner Staub tanzte im Sonnenlicht, das durch eines der großen Fenster in die Kapelle fiel. Die Luft war knochentrocken. Schwungvoll hämmerte Laurin ein weiteres Mal auf die Wand ein, kleine Steinsplitter spritzten in alle Richtungen.
»Hör endlich auf mit diesem Unfug!« Die Stimme des Priors klangt mittlerweile mehr als ärgerlich. Geräuschvoll ließ Laurin den Hammerkopf auf den steinernen Boden aufschlagen.
»Was glaubst du eigentlich, was ich hier tue?«, fuhr er Korbinian an. »Meinst du, ich mach das zu meinem Privatvergnügen? Mir ist eure scheiß Kapelle wirklich egal, aber der Netzanschluss ist es nicht. Und das Kabel muss leider hier durch.« Wütend hämmerte er erneut auf die Wand ein. Der Prior ließ sich von den herumfliegenden Splittern nicht beirren
»Es muss eine andere Lösung geben. Nicht durch die Kapelle. Verstehst du das denn nicht? Ich kann das einfach nicht zulassen. Außerdem wirst du mit diesem Ding«, er wedelte mit einer Hand in Richtung des Hammers, »nur noch mehr Schrammen in die Wand machen. Die Mauer ist einen halben Meter dick und aus massivem Gestein. Nein, ich kann das einfach nicht zulassen. Also sei bitte vernünftig und hör auf damit.«
Laurin ließ entnervt den Hammer los, der laut klackernd zu Boden fiel. Er kochte vor Wut. Nach stundenlangen Debatten mit der Klosterleitung darüber, wie denn nun das Kabel zu verlegen sei und welche Umwege man dabei machen müsste um die für Laurin unbegreiflichen religiösen Gefühle verschiedener Gemeindemitglieder nicht zu verletzen, fühlte er sich ausgelaugt und müde. Tatsächlich wünschte er sich inzwischen, dass anstatt Perion er zu den Ausbauern gefahren wäre. Schlimmer konnte es mit Aglaia kaum werden, egal welchen Terz die Ausbauer auch veranstalten sollten, Korbinian und seine Brüder konnten da locker mithalten. »Religion, Pah!«, dachte Laurin. »Überall derselbe Quark«. Herausfordernd lächelte er Korbinian an. »Sag mal Korbi, wo wir gerade dabei sind über eure Prioritäten zu sprechen. Wenn die Soldaten hier rein rennen und alles zu Klump und Asche hauen, dann könnt ihr all eure geliebten Heiligtümer vergessen. Wie willst du das denn verhindern?«
»Das wird nicht geschehen«, erwiderte Korbinian kühl.
»Sofern wir einen Netzanschluss zustande bekommen. Dann und nur dann haben wir überhaupt eine Chance, uns zu wehren«, entgegnete Laurin. Der Prior schwieg. »Und den bekommen wir nur, wenn du mich meine Arbeit machen lässt. Und jetzt lass mich endlich in Ruhe, oder ich werde niemals rechtzeitig fertig!«
»Nein!«, meinte der Prior knapp und schob seinen Körper zwischen Laurin und die Wand. »Wir werden unsere Prinzipien nicht verraten. Du musst einen anderen Weg finden. Ich bin mir sicher, du und deine Freunde finden eine Möglichkeit, das Kabel so zu verlegen, ohne unsere Bedingungen zu verletzen«.
Laurin musste nach Luft schnappen. »Ach so ist das also, du schiebst uns die Verantwortung dafür zu, rechtzeitig das Kloster an das Netz anzuschließen und nebenbei auch noch deine idiotischen Regeln zu beachten? Mister Prior, dass ist wirklich ein starkes Stück. Das hätte ich von dir am allerwenigsten erwartet.«
»Ich glaube auch nicht, dass du es jemals verstehen wirst. Und das wird von dir ja auch nicht verlangt. Aber zumindest solltest du unsere Lebensweise respektieren, so wie wir das auch mit deiner tun«, erwiderte der Prior trotzig und fuhr dann mit bittender Stimme fort: »Schließlich geht es hierbei um unsere Identität. Die Klostergemeinschaft hat vor nicht allzu langer Zeit zusammen gefunden, deshalb brauchen wir einen gemeinsamen Ankerpunkt und dieser ist für uns das Sakrale. Jeder von uns bringt andere Heiligtümer mit, aber es ist für uns eine Selbstverständlichkeit, diese gegenseitig zu akzeptieren und zu ehren. Niemand verlangt von dir, vor unseren Altären zu knien oder unsere Bilder und Statuen anzubeten. Aber wir verbitten uns jegliche weitere Diskussion über dieses Thema. Haben wir uns verstanden?«
Korbinian drehte sich auf dem Absatz herum und verließ die Kapelle. Laurin starrte ihm verdattert nach und konnte es nicht fassen, dass der Prior ihn einfach so stehen gelassen hatte. »Komm sofort zurück!«, brüllte er ihm nach, doch seine Stimme wurde von der staubigen Luft verschluckt.
Fünf Minuten später hatte sich Laurin soweit beruhigt, dass er den Hammer wieder in die Hand nehmen konnte. Mit kraftvollen Schlägen bearbeitete er die Wand, die sich noch immer unbeeindruckt von dem Versuch zeigte, ein Loch in sie zu schlagen. Dafür verrauchte nach und nach sein Zorn. Eine Untersuchung der Wand zeigte ihm, dass er mit roher Gewalt wohl überhaupt nichts ausrichten konnte und somit der Plan, ein Loch mit dem Vorschlaghammer in die Außenmauer des Klosters zu schlagen, gescheitert war. Andererseits wollte er auch nicht so einfach klein beigeben. Es ärgerte ihn außerordentlich, wie der Prior ihn behandelt hatte und mit welcher Arroganz dieser sich der Realität verschlossen hatte. Noch während Laurin über sein Dilemma nachdachte, betraten zwei Mönche, eine altertümlich wirkende Bohrvorrichtung auf den Schultern schleppend, die Kapelle. Unter Laurins erstauntem Blick bohrten diese mit dem mechanischen Bohrer exakt das Loch, welches Laurin vergeblich in die Wand zu schlagen versucht hatte. Ohne Laurin auch nur eines Blickes zu würdigen bohrten die beiden danach noch eine weitere Öffnung, durch welche das Kabel dann die Kapelle verlassen sollte, um in Richtung Rechenzentrum zu verschwinden. Kopfschüttelnd verließ Laurin den Raum. »Religion vs. Vernunft: eins zu null«, dachte er brummig.